DIVERXO, Madrid, Spain
Wenn Essen Nebensache wird.
«Wer interessieren will, muss provozieren!»
Das hat der grosse, spanische Künstler Salvador Dali gesagt, und in Perfektion vollführt.
In Spanien versteht man Gastronomie als Kunst, und Kunst betört die Sinne. Und Kunst provoziert. Salvador Dali hat gesagt: «Wer interessieren will, muss provozieren!»
Kulinarische Highlights finden sich im ganzen Land. Doch meine Reise nach Madrid trat ich nur wegen einem an: David Muñoz.
Der 34-jährige Spanier führt das Diverxo. Ein Drei-Sterne-Restaurant mit aussergewöhnlicher Kreativität. Muñoz inszeniert, zelebriert und provoziert, er ist ein Künstler. Aufmerksam bin ich durch sein Video geworden, welches auf Social Media Plattformen umherschwirrt. Derb und laut, übertrieben und sehr von sich überzeugt, stellt sich der Sternekoch in den Mittelpunkt. Es ginge ihm nicht nur um den Genuss – nein, er verspricht Ektase und völlige Hingabe.
Video gesehen, Tisch reserviert, Flug gebucht: David, ich komme.
Das Restaurant ist futuristisch, clean, chic. Aber wie zu erwarten, sprengt nicht nur sein eigenes Aussehen und das seiner Crew die vornehme Noblesse, die man von High-Class-Tempeln gewöhnt ist, auch das Restaurant spielt mit der Fantasie seiner Gäste.
Zur Auswahl stehen zwei Menüs. Ich entscheide mich für das grössere – zum Preis von EUR 200. Die Anzahlung bei meiner Tischreservation in Höhe von EUR 60 wird mir am Ende bei der Rechnung abgezogen.
Im mittleren Teil des Raumes wird leise vor sich hingeköchelt. Einzelne Komponenten werden direkt im Raum kreiert und komplettieren die Teller, welche zackig aus der Küche ihren Weg auf die voll besetzten Tische finden.
Der Sommelier empfiehlt nicht zu starke Weine. Sonst würden die intensiven Texturen untergehen. Unter anderem entscheide ich mich für einen Wein aus Madrid: erstaunlich intensiv und geschmackvoll. Grosse Wein-Kenntnisse kann ich dem Sommelier leider nicht attestieren. Im Laufe des Abends wurde er auch nicht mehr gesehen.
Das Menü im Überblick:
Auf dem Foto sind eingekreiste Gänge zu sehen: Für diese hat sich David an diesem Abend entschieden.
Ekstase?
Japanisch angehauchte Küche neu inszeniert, einzelne Gerichte mit französischem Einfluss, Geschmäcker aus Los Angeles und New York finden sich wieder. Nichts ist so, wie man es erwartet. Präsentiert werden die grossen Happen und Bissen auf stilvollem Geschirr. Edles Besteck = Fehlanzeige. Ich greife zu Schaber oder nehme die Hand.
David will weitere Restaurants eröffnen. Natürlich auch in New York. Das ist für ihn das Tor zur Welt. Ich traue es ihm zu, dass er einer der ganz Grossen wird – wenn er es nicht schon ist.
Das Diverxo hat mich in seinen Bann gerissen, nicht gezogen, wenn auch nicht in absolute Hingabe versetzt. Dies lag jedoch nicht an den fantastischen Explosionen in meinem Mund. Viel mehr an dem schlechten, oft unaufmerksamen Service, der fehlenden Liebe zum Wein und der etwas komplizierten Art, das WC während des Essens aufsuchen oder sich eine Zigarette zu gönnen. Diese war definitiv nötig, denn die Portionen sind viel zu gross.
Ich würde wieder bei David geniessen, dann aber mit der kleineren Menü-Variante und dem Ziel vor 2:00 Uhr am Morgen fertig zu sein. Denn dann gibt es keinen Alkohol mehr. Zu gross ist die Verlockung, wieder sein Spektakel rund-um-die Welt zu erleben. Und so gerne möchte ich noch einmal den französischen Gang erleben, wenn der Raum um meinen Tisch in weisse Tücher gehüllt wird, Kerzenleuchter aufgestellt werden, französische Chansons aus kleinen Lautsprechern dröhnen und die flippig gekleideten Kellner auf einmal weisse Handschuhe tragen. Ich sage ja, Essen ist Nebensache oder anders ausgedrückt: «El que quiere interesar a los demás tiene que provocarlos.»
Patrick’s Bewertung:
Ambiente: 5/6
Service: 4/6
Essen: 5/6
Preis/Leistung: 5/6
Gesamtwertung: 19/24
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Foto by Inside DiverXO. Photo: Courtesy David Muñoz